Freitag, 6. November 2020, 15:00-16:30 

Die Corona-Krise kam erst als Schock, dann als Wellen und bleibt wohl als weiterer Spaltpilz der Gesellschaft bestehen. Und mittendrin stehen die Freien Radios, als Ort und Medium der Auseinandersetzung, sowohl untereinander als auch mit dem öffentlichen Diskurs.

Die Freien Radios haben es sich zur Aufgabe gemacht marginalisierte oder sozial geschwächte Menschen ins Radio zu bringen. Unter dem Stichwort Zugangsoffenheit wollen wir neue soziale Bewegungen unterstützen, stehen nun allerdings vor dem Problem der Verantwortung über eigene Sendungen potentiell Leben und/oder die Gesellschaft zu gefährden.

Auf der einen Seite kritisieren wir seit Jahrzehnten die Regierenden und die Massenmedien, auf der anderen Seite orientieren wir uns an ihnen, wenn es um die Informationen geht, die für die Einschätzung der Corona-Lage verwendet werden können. Dafür müssen wir uns die Kritik gefallen lassen, nicht ausreichend selbst zu recherchieren oder gar zu „schlafen“. Zugleich merken wir aber, dass die von uns erbrachten Recherchen in denen wir langjährige Expertise haben, nämlich in der Beobachtung rechter Umtriebe, von Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen und der Grundrechtseinschränkungen häufig nicht akzeptiert werden. Hörer*innen, Unterstützer*innen und sogar Redakteur*innen wenden sich von uns ab und teilweise Medien zu, die ihrer Meinung (eher) entsprechen. Die Vorwürfe wir würden die Meinungsfreiheit begrenzen, keine Gegenöffentlichkeit mehr herstellen oder als Systemmedien agieren stehen bei jedem Streitfall im Raum. Und es ist noch nicht abzusehen, ob einzelne Gruppen nicht sogar den Rechtsweg versuchen könnten, um ihre Meinungen, Einschätzungen und Erklärmuster auch über die Freien Radios verbreiten zu können.

In diesem Diskussionspanel wollen wir herausarbeiten welche Kriterien wir für eine verantwortungsvolle Berichterstattung an uns selbst legen und auf welchen Grundsätzen die Zugangsoffenheit beruht.

Fragen sind:

  • Was gab es für Streit und wie ist es ausgegegangen?
  • Was unterscheidet die Freien Radios von der anderen „Freien Medien“ die z.B. die AfD so lobt?
  • Wie können wir diese Unterscheidung klar machen?
  • Was müssen wir leisten?
  • Wo müssen wir die Grenze ziehen?

Ergänzung zur Dokumentation von Radio Dreyeckland:

„Ich hatte im Panel einen Entwurf zur Änderung des Redaktionsstatuts eingebracht (in den Chat kopiert), das auf Interesse gestoßen war (gegen Verschwörungsmythen, -theorien).“

Das Radio beschließt folgenden Zusatz zu seiner Satzung:

Radio Dreyeckland lehnt Verbreitung von Verschwörungstheorien (Verschwörungsmythen) ohne
kritischen Kontext ab.

Als Handreichung soll der Satzung angehängt werden:

Kennzeichnend für Verschwörungstheorien (Verschwörungsmythen) sind Merkmale wie:
– das Fehlen überprüfbarer Quellen
– der Gebrauch des Prinzips „Wem nützt es?“ ohne hinreichenden Kontext
– die Interpretation von zeitlicher Koinzidenz als ursächliche Verknüpfung ohne hinreichenden Kontext
– moralische Urteile ohne Tatsachenbelege
– Verweis auf eine geheime, jeder sachlichen Nachprüfung und logischen Evaluation entzogene Interessenlage
– Ignoranz wissenschaftlicher Ergebnisse oder ausschließlicher Gebrauch von wissenschaftlichen
Einzelmeinungen
– die Annahme, die Welt könnte von Einzelnen oder einzelnen Mächten in ihrer Totalität gelenkt werden
– das Ersetzen gesellschaftlicher Verhältnisse durch das Handeln weniger Akteure
– das Fehlen einer Unschuldsvermutung
– strukturelle Übereinstimmung mit bekannten Verschwörungstheorien vor allem aus der
antisemitischen Ecke
– offene oder versteckte Anspielungen auf eine jüdische Verschwörung
– der Gebrauch von sogenannten Dogwhistles, d.h. von Wörtern, die einen öffentlich nicht opportunen Inhalt wie etwa Antisemitismus verschleiern, für einen Kreis von Eingeweihten aber verständlich sind, wie z. B. in den USA „Ostküste“ für die angebliche Beherrschung der USA, bzw. ihrer Medien durch Juden
– Bezugnahme auf Quellen, die durch die notorische Verbreitung nachweislich falscher Behauptungen bekannt sind.

    Die Audio-Dokumentation dieses Panels oder einige Handouts sind nur BFR-intern bzw. für die Teilnehmenden verfügbar. Bei Interesse daran, melde Dich bitte kurz über das Formular. Wir senden Dir dann zeitnah den Download-Link zu.